Esel oder nicht Esel ...
Der Versuch einer mathematischen Gleichung in Sachen Liebe
von
Colin Vaupel
Vorwort geschrieben im November 1979.
Beginnen will ich mit der Vorstellung der vier recht ungleichen „Bekannten“;
und es wird am besten sein, ich tue dies in alphabetischer Reihenfolge:
Ich mag sonst keine Sprichwörter, muss dieses aber anführen, falls sich im
Verlauf der Geschichte herausstellen sollte, dass ich doch ein Esel bin.
Sollte sich dies dann, was ich selbstverständlich nicht hoffe, tatsächlich
bewahrheiten, so würde sich doch
wenigstens diesbezüglich kein Widerspruch in den Ablauf der weiteren
Begebenheiten einschleichen. Doch gehen wir einmal weiter, schließlich
handelt es sich hier ja nicht um die Frage „Esel oder nicht Esel?“ Oder
vielleicht etwa doch?
Conny ist Tänzerin und tanzt für eine saubere Privatagentur. Sie würde
lieber für das Staatsballett arbeiten, dafür ist sie aber 13 cm zu klein.
Conny liebt (?) Colin.
Sie ist im 2. Monat schwanger (nicht von Colin) und hat sich gegen die
Geburt entschieden. Dies ist ihr eigener Wille und es soll in dieser
Erzählung nicht geurteilt werden; auch nicht ob das Kind eine Chance auf
Leben gehabt hätte, wenn ich die Mutter geheiratet hätte.
Doris ist tätig in der Städtischen Klinik von und zu München und zwar als
Krankengymnastin. Sie sagt, sie sagt sie liebt (?) Andreas und mag (?)
Colin.
So
viel erst einmal zu Doris.
So, nun fange ich erst einmal an, meinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Bin
ich wieder einmal mehr gemein? Hart und allzu böse anstatt artig? Geht es
mir selbst augenblicklich deshalb so dreckig? Habe ich es deshalb verdient,
dass es mir so bescheiden geht? Wie es aussieht, könnte Conny die Frau sein,
auf die ich schon immer gewartet habe; letztlich die Frau, die mich liebt,
wie sie sagt, vergöttert und eigentlich nur verwöhnen möchte. Die Frau, die
sich eigentlich nichts sehnlicher wünscht, als einem Mann eine gute Frau zu
sein. Was kann ein Mann mehr erwarten vom Leben?
Ihr gegenüber steht Doris. Doris ist die Frau, die ich liebe. Auch hier
müsste ich nun eigentlich wieder einmal ein Fragezeichen in Klammern setzen;
aber ich tue das nicht. Ich habe mit Doris noch nicht geschlafen, weiß also
(meine persönliche Logik) dass da andere Gefühle eine größere Rolle spielen
müssen, als - ja - als schlechthin der sexuelle Trieb. Ich glaube, dass ich
mir sicher sein kann: wenn Andreas nicht wäre, gäbe es nichts mehr, dass
Doris daran hindern würde, ihren Gefühlen mir gegenüber freiem Lauf zu
lassen.
Ja, da bin ich mir ganz sicher: Wäre da nicht Andreas, Doris würde
sicherlich zu mir sagen: »Colin, ich liebe Dich.« Aber der Andere, der
Andreas ist da und ich habe das zu akzeptieren. Allerdings - ja da ist
etwas, dass mir keine Ruhe lässt; etwas das Doris einmal zu mir gesagt hat,
als sie bei mir zu Besuch war. »Ich fühle mich ihm gegenüber verpflichtet,
er hat mir einmal sehr geholfen.« Vielleicht ist ihr diese Bemerkung ja auch
nur herausgerutscht. Vielleicht suche ich aber auch einmal wieder nach einem
Strohhalm, sei er auch noch so klein.
Ein paar Tage später lernte ich dann Conny erneut kennen. Es war vor einem
Jahr ungefähr, da hatten wir uns das erste Mal gesehen, anlässlich der
Premiere von Ralph Siegels Musical „Winnetou“. Ich fand sie nett, spürte,
dass sie irgendwie traurig war und Probleme zu haben schien. O.K., ich
sprach sie an, wir haben unsere Adressen ausgetauscht, ein Brief, zwei, dann
nichts mehr. Aber plötzlich ist sie wieder da gewesen. Hier in München.
Und was das Komische bei der ganzen Geschichte ist, wäre sie auch nur zwei
Wochen später aufgetaucht, hätte ich mich mit all meinem Gefühl, mit aller
mir nur möglichen Zärtlichkeit auf sie gestürzt. Denn sie ist schon eine
prächtige Frau mit ihren 22 Jahren. Aber, aber, aber ... Zwei Wochen zu
spät. Das klingt so, als würde ich die Existenz von Doris bedauern? Nein!
Ganz im Gegenteil!
Ich glaube Doris zu lieben und würde sie morgen am Tag heiraten, wenn dies
möglich wäre. Nein, nicht wie früher, ich war bereits dreimal verheiratet,
aber damals war das anders. Ich habe immer auf Ring und Papier gedrängt; ich
dachte, mit einem Trauschein in irgendeinem Aktenordner würde mir nie jemand
davonlaufen können. Oh wie naiv war das von mir.
Ja, ja, dass ich Doris liebe, glaube zu lieben, ist nun eben die 2. Seite
eines zweischneidigen Schwertes. Eigentlich sogar dreischneidig bin ich doch
ein schneidiges Bürschlein. Zwei Menschen erleiden das gleiche Schicksal
(ein großes Wort, aber nicht zu groß.) Zwei Menschen verlieben sich in
jemanden; aber ihre Liebe kann nicht erwidert werden, weil ihre Gefühle
bereits anderweitig vergeben sind.
Wie das klingt. Nun gut, das wäre schon in Ordnung und auch normal und gar
nicht wert es aufzuschreiben, wenn es nicht eben so wäre, dass, wenn jemand
anderes nicht wäre, der Herzenswunsch dieser beiden Menschen in Erfüllung
gehen könnte.
Gut. Conny liebt Colin, Colin liebt Doris, Doris liebt
Andreas.
Eine Lösung fällt mir ein, doch das ist, das wäre ja zu schön um wahr zu
sein: Andreas liebt Conny und Conny könnte sich an diesen Gedanken gewöhnen.
Hm, das wäre schön, doch erstens kennen sich die beiden nicht und zweitens
bin ich mir ganz sicher, dass Andreas sagen bzw. denken würde: „Fällt mir
doch im Traum nicht ein, dem Colin seine Conny zu lieben, damit er meine
Doris lieben kann und seine mathematische Gleichung aufgeht.“ Haha, da hat
er gar nicht so Unrecht, der Schlaumeier, der Blitzmerker.
Nun gut, vielleicht ich bin ich doch ein Esel. Sehen sie, liebe Leser, jetzt
werden sie meinen berechtigten Einwand hinsichtlich des Widerspruchs
verstehen: Das Gute das ich haben, vielleicht haben könnte, mag ich zwar,
will ich aber nicht. Das Gute das ich nur eventuell haben kann, mit
ziemlicher Sicherheit haben könnte, ist es, was ich will. Wie ein kleines
Kind, das unbedingt das Spielzeug eines Nachbarkindes haben will. Und dieses
Kind weiß irgendwie ganz genau, dass es sein Spielzeug auch nicht hergeben
würde.
Verzeihung, das ist natürlich dumm von mir, so etwas zu sagen. Man sollte,
ich sollte bei einer solchen ernsten Angelegenheit nun wirklich nicht von
Spielzeug reden. Oder mache ich vielleicht ein Spiel aus der ganzen Affäre?
Eine Humoreske? Nein! da bin ich mir ziemlich sicher, ja todsicher. Oder
doch nicht?
Lieber wieder schnell zurück zum Esel, Unsinn, zurück zum Thema, meine ich.
Also die Lösung mit Andreas und Conny scheint ja nun mal nicht aufgehen zu
wollen oder zu können. Warum eigentlich nicht? Ob man da nicht was drehen
könnte? Dazu müssten sich Conny und Andreas nun jedoch erst einmal kennen
lernen, ganz einfach kennen lernen. Also sollte man
die beiden miteinander bekanntmachen.
Zu dumm aber auch, wer außer dem Schicksal sollte das tun? Ich kann es
nicht, ich kenne Andreas ja überhaupt nicht. Er ist übrigens der einzige
wirklich unbekannte [Faktor X] für mich jedenfalls, in dieser schweren
mathematischen in meiner Gleichung, fällt mir gerade ein.
Wie aber, wenn ich Doris, Andreas und Conny doch miteinander bekanntmachen
würde? Halt! Das geht ja gar nicht. Dann würde ja Doris etwas von Conny und
mir erfahren. Ne, ne, ich bin doch nicht blöd, auf diese mögliche Lösung
muss ich wohl auch verzichten.
Wenn aber nun diese vier ... ja, ja - das könnte funktionieren: die vier
gehen in vier verschiedene Klöster ...Quatsch! Das geht auch nicht: „Wenn
ich das schon nicht tue, dann die anderen auch nicht.“ Hinzu käme, dass ich
die Mädels ja nicht einmal besuchen dürfte. Nein! Doch wie wäre es damit:
Conny liebt Doris, Andreas liebt Colin? Jetzt reicht's aber. So nicht! Nicht
mit mir. Conny liebt Colin, und damit basta; das würde doch auch
buchstabenmäßig sehr gut passen: „CC.“ Einfach köstlich. Und auf der anderen
Seite? Andreas liebt Doris? „AD.“ klingt gut, aber nur für mich. „Ade,
Servus mach's, mach's gut.“ Was ich aber doch eigentlich will ist Doris;
also DC.
Noch mal von Anfang an: Da sind Conny, Doris, Andreas und Colin. Colin kennt
und liebt Conny; und, Doris, so hat es den Anschein, etwas mehr als Conny.
Dass Colin nicht so recht weiß, was er wirklich will, davon können wir nicht
einfach so ausgehen; davon wollen wir auch gar nicht ausgehen. Doris kennt
und liebt Colin und Andreas, Andreas, so hat es den Anschein, etwas mehr als
Colin; es kann aber auch umgekehrt sein. Dass auch Doris nicht so genau weiß
was, respektive wen sie will, ist auch nur all zu unwahrscheinlich, sonst
wäre sie ja bei Peter geblieben, der gehört aber jetzt nicht hierher.
Conny kennt und liebt Colin; glaubt es zumindest. Ein unkompliziertes
Mädchen? Genau kann man das nicht so sagen, bleibt doch noch der
Hintergedanke mit Colin könnte sie ihr Baby vielleicht doch das Licht der
Welt erblicken lassen...
Andie kennt und liebt nur Doris. So einfach ist das für ihn. Ich habe diesen
Andreas übrigens eben nur Andie genannt, weil die Kurzform seines Namen
besser in dieses Schriftbild passt; nicht etwa, weil ich im „an die“, Doris
denken muss; ungeheuer witzig, Brüller. Deshalb habe ich auch Andie wie
Andie und nicht wie Andie sich eigentlich schreibt, nämlich nur mit „I“
geschrieben. Nicht etwa das nun jemand auf die Idee kommt, diese
Schreibweise als Koseform zu einzustufen. Ich bin einfach nur konsequent, da
lasse ich mir kein „X“ für ein „U“ vormachen.
Diese VIER also sind es, um die sich alles dreht. Drei wissen eigentlich
genau wo, bzw. zu wem sie stehen; bis auf Doris, die manchmal doch ein wenig
in's Schwanken zu geraten scheint. Drei also sind sich im Prinzip innerlich
einig, nur der vierte bohrt und bohrt. Vielleicht gibt es ja doch noch eine
Chance, auf eine gute mathematische Lösung. Oh ..
So
könnte es vielleicht gehen:
Da
ich davon ausgehe, dass der Leser dieser höchstinteressanten Geschichte auf
den Seiten 1 bis 6 gut aufgepasst hat, gehe ich auch weiterhin davon aus,
dass ich mir eine nochmalige kurze Zusammenfassung selbiger Seiten ersparen,
und sogleich mit der neuen Möglichkeit durchstarten kann. Also, hier ist
sie:
Conny und Doris lernen sich beim Jazzballett kennen. Colin hat das
gedeichselt und Andreas konnte das nicht verhindern, weil ... na wie hätte
er auch sollen, hatte er doch keine Ahnung. Colin und Andreas treffen sich
beim Surfen, das heißt eigentlich muss ich es anders ausdrücken: die
Surfbretter der beiden haben sich getroffen, und zwar so heftig, dass beide,
nein nicht die Surfbretter, dass Andreas und Colin im Krankenhaus landen.
Der behandelnde Chirurg, er würde übrigens Peter heißen (oh, oh, da war doch
was…), obwohl das nicht von Bedeutung ist, das habe ich ja schon erklärt,
bzw. so bestimmt. Das also ist die Situation: Colin und Andreas in einem
Zweibettzimmer.
Man kommt sich näher, so weit das unter Männern üblich ist, kurz: man
„freundet“ sich an. Jetzt wird es so richtig spannend. Wir erinnern uns:
Doris ist Krankengymnastin, ja, sie ahnen was jetzt kommt?!. Conny will
Colin besuchen. Sie ahnen was jetzt kommt?! Im Krankenzimmer tut sich was. 4
Personen sind drin. Andreas und Colin mit schmerzverzehrten Gesichtern in
ihren Betten, Doris, die überlegt mit wem sie arbeitstechnisch beginnen soll
und Doris. Conny hat ja bekanntlich ja von nichts eine Ahnung, Conny kennt
nur Colin und Doris, letztere aus dem Jazztanzkurs. Dann geht die Tür auf
und der Chefarzt, dieser Peter betritt das Krankenzimmer.
Zwei feste Pärchen freunden sich miteinander und untereinander so richtig
an. Jeder mag jeden. Also Doris mag Conny und Andreas, Mist, den mochte sie
ja früher auch schon egal: sie mag auch Colin. Colin die Mädels sowieso und
... So ein Mist aber auch ... Andreas mag er in der Zwischenzeit auch.
Freundschaftlich. Fängt Andreas doch an, auch Conny sehr, ich betone, sehr
zu mögen. Und Conny? Da liegt das Problem. Conny mag Colin, Doris und
Andreas; letzteren aber nur so als einen guten Freund, besser noch, wie
einen Bruder. Schöne Theorie. Aber auch eine Lösung der mathematischen
Gleichung mit vier Bekannten und was geschah wirklich?
Eigentlich ganz einfach und unkompliziert: Doris wusste auf einmal, dass es
für sie nur einen Mann auf der Welt gab und der hieß Andreas. Conny
verliebte sich in den Chirurgen namens Peter. Wir erinnern uns: Peter war
der Mann, der in unserer Gleichung keine Rolle spielte, obwohl er früher mal
mit Doris zusammen war.
Und Colin? Colin ist im Irrenhaus gelandet und schreibt heute komische
Geschichten; übrigens recht erfolgreich. Glauben sie nicht? Sie haben gerade
eine gekauft und gelesen. Danke schön.