Esel oder nicht Esel ...

Der Versuch einer mathematischen Gleichung in Sachen Liebe

 

 

von

Colin Vaupel

 
 

Vorwort geschrieben im November 1979.

 Die Begebenheiten spielten sich in München, der Weltstadt mit Herz ab, hätten sich aber auch in jeder anderen Stadt auf diesem unserem Erdball zugetragen haben können.

 Um was geht es?

 Mathematik in Sachen Zweierkiste, manchmal auch Liebe genannt. Der Versuch zur Lösung einer Gleichung mit 4 Bekannten von denen aber, zumindest teilweise, die Bekannten Unbekannte sind. Ist eine Lösung überhaupt möglich? Ich bin kein Mathematikprofessor, will es aber trotz allem nicht unterlassen, den Versuch einer Lösung zu wagen.

Beginnen will ich mit der Vorstellung der vier recht ungleichen „Bekannten“; und es wird am besten sein, ich tue dies in alphabetischer Reihenfolge:

 

Da wäre Andreas. Von ihm kann ich an dieser Stelle so rein gar nichts berichten. Ja ich weiß, um ehrlich zu sein, nicht einmal, ob Andreas auch wirklich Andreas heißt. Ich nenne ihn einfach Andreas, weil er somit laut Alphabet vor mir kommt, und ich nicht gleich mit mir beginnen will. Schließlich bin ich ja kein Esel. Zumindest was das Sprichwort angelangt das da lautet: „Der Esel nennt sich immer zuerst.“

 

Ich mag sonst keine Sprichwörter, muss dieses aber anführen, falls sich im Verlauf der Geschichte herausstellen sollte, dass ich doch ein Esel bin. Sollte sich dies dann, was ich selbstverständlich nicht hoffe, tatsächlich bewahrheiten, so würde sich doch

wenigstens diesbezüglich kein Widerspruch in den Ablauf der weiteren Begebenheiten einschleichen. Doch gehen wir einmal weiter, schließlich handelt es sich hier ja nicht um die Frage „Esel oder nicht Esel?“ Oder vielleicht etwa doch?

 Ich fasse also zusammen: Die erste bekannte Größe vor mir heißt Andreas und Andreas ist der Freund von Doris. Zu ihr aber etwas später, da ich ja in der Reihenfolge vor Doris komme. Bekannte Nummer zwei ist Colin, das bin ich. Ich glaube, es dürfte hier und an dieser Stelle nicht notwendig sein, mehr über mich, den Dreiunddreißigjährigen Liebeskasper zu sagen; wird sich doch schon bald ganz von selbst herausstellen, welch Geistes Kind dieser Knabe Colin ist.

 

Conny ist Tänzerin und tanzt für eine saubere Privatagentur. Sie würde lieber für das Staatsballett arbeiten, dafür ist sie aber 13 cm zu klein. Conny liebt (?) Colin. Sie ist im 2. Monat schwanger (nicht von Colin) und hat sich gegen die Geburt entschieden. Dies ist ihr eigener Wille und es soll in dieser Erzählung nicht geurteilt werden; auch nicht ob das Kind eine Chance auf Leben gehabt hätte, wenn ich die Mutter geheiratet hätte.

 

Doris ist tätig in der Städtischen Klinik von und zu München und zwar als Krankengymnastin. Sie sagt, sie sagt sie liebt (?) Andreas und mag (?) Colin. So viel erst einmal zu Doris.

 

So, nun fange ich erst einmal an, meinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Bin ich wieder einmal mehr gemein? Hart und allzu böse anstatt artig? Geht es mir selbst augenblicklich deshalb so dreckig? Habe ich es deshalb verdient, dass es mir so bescheiden geht? Wie es aussieht, könnte Conny die Frau sein, auf die ich schon immer gewartet habe; letztlich die Frau, die mich liebt, wie sie sagt, vergöttert und eigentlich nur verwöhnen möchte. Die Frau, die sich eigentlich nichts sehnlicher wünscht, als einem Mann eine gute Frau zu sein. Was kann ein Mann mehr erwarten vom Leben?

 

 

Ihr gegenüber steht Doris. Doris ist die Frau, die ich liebe. Auch hier müsste ich nun eigentlich wieder einmal ein Fragezeichen in Klammern setzen; aber ich tue das nicht. Ich habe mit Doris noch nicht geschlafen, weiß also (meine persönliche Logik) dass da andere Gefühle eine größere Rolle spielen müssen, als - ja - als schlechthin der sexuelle Trieb. Ich glaube, dass ich mir sicher sein kann: wenn Andreas nicht wäre, gäbe es nichts mehr, dass Doris daran hindern würde, ihren Gefühlen mir gegenüber freiem Lauf zu lassen. 

 

Ja, da bin ich mir ganz sicher: Wäre da nicht Andreas, Doris würde sicherlich zu mir sagen: »Colin, ich liebe Dich.« Aber der Andere, der Andreas ist da und ich habe das zu akzeptieren. Allerdings - ja da ist etwas, dass mir keine Ruhe lässt; etwas das Doris einmal zu mir gesagt hat, als sie bei mir zu Besuch war. »Ich fühle mich ihm gegenüber verpflichtet, er hat mir einmal sehr geholfen.« Vielleicht ist ihr diese Bemerkung ja auch nur herausgerutscht. Vielleicht suche ich aber auch einmal wieder nach einem Strohhalm, sei er auch noch so klein.

 

Ein paar Tage später lernte ich dann Conny erneut kennen. Es war vor einem Jahr ungefähr, da hatten wir uns das erste Mal gesehen, anlässlich der Premiere von Ralph Siegels Musical „Winnetou“. Ich fand sie nett, spürte, dass sie irgendwie traurig war und Probleme zu haben schien. O.K., ich sprach sie an, wir haben unsere Adressen ausgetauscht, ein Brief, zwei, dann nichts mehr. Aber plötzlich ist sie wieder da gewesen. Hier in München.

 

Und was das Komische bei der ganzen Geschichte ist, wäre sie auch nur zwei Wochen später aufgetaucht, hätte ich mich mit all meinem Gefühl, mit aller mir nur möglichen Zärtlichkeit auf sie gestürzt. Denn sie ist schon eine prächtige Frau mit ihren 22 Jahren. Aber, aber, aber ... Zwei Wochen zu spät. Das klingt so, als würde ich die Existenz von Doris bedauern? Nein! Ganz im Gegenteil!

 

Ich glaube Doris zu lieben und würde sie morgen am Tag heiraten, wenn dies möglich wäre. Nein, nicht wie früher, ich war bereits dreimal verheiratet, aber damals war das anders. Ich habe immer auf Ring und Papier gedrängt; ich dachte, mit einem Trauschein in irgendeinem Aktenordner würde mir nie jemand davonlaufen können. Oh wie naiv war das von mir.

Ja, ja, dass ich Doris liebe, glaube zu lieben, ist nun eben die 2. Seite eines zweischneidigen Schwertes. Eigentlich sogar dreischneidig bin ich doch ein schneidiges Bürschlein. Zwei Menschen erleiden das gleiche Schicksal (ein großes Wort, aber nicht zu groß.) Zwei Menschen verlieben sich in jemanden; aber ihre Liebe kann nicht erwidert werden, weil ihre Gefühle bereits anderweitig vergeben sind.

 

Wie das klingt. Nun gut, das wäre schon in Ordnung und auch normal und gar nicht wert es aufzuschreiben, wenn es nicht eben so wäre, dass, wenn jemand anderes nicht wäre, der Herzenswunsch dieser beiden Menschen in Erfüllung gehen könnte. Gut. Conny liebt Colin, Colin liebt Doris, Doris liebt Andreas. Eine Lösung fällt mir ein, doch das ist, das wäre ja zu schön um wahr zu sein: Andreas liebt Conny und Conny könnte sich an diesen Gedanken gewöhnen.

 

Hm, das wäre schön, doch erstens kennen sich die beiden nicht und zweitens bin ich mir ganz sicher, dass Andreas sagen bzw. denken würde: „Fällt mir doch im Traum nicht ein, dem Colin seine Conny zu lieben, damit er meine Doris lieben kann und seine mathematische Gleichung aufgeht.“ Haha, da hat er gar nicht so Unrecht, der Schlaumeier, der Blitzmerker.

 

Nun gut, vielleicht ich bin ich doch ein Esel. Sehen sie, liebe Leser, jetzt werden sie meinen berechtigten Einwand hinsichtlich des Widerspruchs verstehen: Das Gute das ich haben, vielleicht haben könnte, mag ich zwar, will ich aber nicht. Das Gute das ich nur eventuell haben kann, mit ziemlicher Sicherheit haben könnte, ist es, was ich will. Wie ein kleines Kind, das unbedingt das Spielzeug eines Nachbarkindes haben will. Und dieses Kind weiß irgendwie ganz genau, dass es sein Spielzeug auch nicht hergeben würde.

 

Verzeihung, das ist natürlich dumm von mir, so etwas zu sagen. Man sollte, ich sollte bei einer solchen ernsten Angelegenheit nun wirklich nicht von Spielzeug reden. Oder mache ich vielleicht ein Spiel aus der ganzen Affäre? Eine Humoreske? Nein! da bin ich mir ziemlich sicher, ja todsicher. Oder doch nicht?

 

Lieber wieder schnell zurück zum Esel, Unsinn, zurück zum Thema, meine ich.

 

Also die Lösung mit Andreas und Conny scheint ja nun mal nicht aufgehen zu wollen oder zu können. Warum eigentlich nicht? Ob man da nicht was drehen könnte? Dazu müssten sich Conny und Andreas nun jedoch erst einmal kennen lernen, ganz einfach kennen lernen. Also sollte man  die beiden miteinander bekanntmachen. Zu dumm aber auch, wer außer dem Schicksal sollte das tun? Ich kann es nicht, ich kenne Andreas ja überhaupt nicht. Er ist übrigens der einzige wirklich unbekannte [Faktor X] für mich jedenfalls, in dieser schweren mathematischen in meiner Gleichung, fällt mir gerade ein.

 

Wie aber, wenn ich Doris, Andreas und Conny doch miteinander bekanntmachen würde? Halt! Das geht ja gar nicht. Dann würde ja Doris etwas von Conny und mir erfahren. Ne, ne, ich bin doch nicht blöd, auf diese mögliche Lösung muss ich wohl auch verzichten.

 

Wenn aber nun diese vier ... ja, ja - das könnte funktionieren: die vier gehen in vier verschiedene Klöster ...Quatsch! Das geht auch nicht: „Wenn ich das schon nicht tue, dann die anderen auch nicht.“ Hinzu käme, dass ich die Mädels ja nicht einmal besuchen dürfte. Nein! Doch wie wäre es damit: Conny liebt Doris, Andreas liebt Colin? Jetzt reicht's aber. So nicht! Nicht mit mir. Conny liebt Colin, und damit basta; das würde doch auch buchstabenmäßig sehr gut passen: „CC.“ Einfach köstlich. Und auf der anderen Seite? Andreas liebt Doris? „AD.“ klingt gut, aber nur für mich. „Ade, Servus mach's, mach's gut.“ Was ich aber doch eigentlich will ist Doris; also DC.

 

Noch mal von Anfang an: Da sind Conny, Doris, Andreas und Colin. Colin kennt und liebt Conny; und, Doris, so hat es den Anschein, etwas mehr als Conny.

 

Dass Colin nicht so recht weiß, was er wirklich will, davon können wir nicht einfach so ausgehen; davon wollen wir auch gar nicht ausgehen. Doris kennt und liebt Colin und Andreas, Andreas, so hat es den Anschein, etwas mehr als Colin; es kann aber auch umgekehrt sein. Dass auch Doris nicht so genau weiß was, respektive wen sie will, ist auch nur all zu unwahrscheinlich, sonst wäre sie ja bei Peter geblieben, der gehört aber jetzt nicht hierher.

 

Conny kennt und liebt Colin; glaubt es zumindest. Ein unkompliziertes Mädchen? Genau kann man das nicht so sagen, bleibt doch noch der Hintergedanke mit Colin könnte sie ihr Baby vielleicht doch das Licht der Welt erblicken lassen...

 

Andie kennt und liebt nur Doris. So einfach ist das für ihn. Ich habe diesen Andreas übrigens eben nur Andie genannt, weil die Kurzform seines Namen besser in dieses Schriftbild passt; nicht etwa, weil ich im „an die“, Doris denken muss; ungeheuer witzig, Brüller. Deshalb habe ich auch Andie wie Andie und nicht wie Andie sich eigentlich schreibt, nämlich nur mit „I“ geschrieben. Nicht etwa das nun jemand auf die Idee kommt, diese Schreibweise als Koseform zu einzustufen. Ich bin einfach nur konsequent, da lasse ich mir kein „X“ für ein „U“ vormachen.

 

Diese VIER also sind es, um die sich alles dreht. Drei wissen eigentlich genau wo, bzw. zu wem sie stehen; bis auf Doris, die manchmal doch ein wenig in's Schwanken zu geraten scheint. Drei also sind sich im Prinzip innerlich einig, nur der vierte bohrt und bohrt. Vielleicht gibt es ja doch noch eine Chance, auf eine gute mathematische Lösung. Oh ..

 

So könnte es vielleicht gehen:

 

Da ich davon ausgehe, dass der Leser dieser höchstinteressanten Geschichte auf den Seiten 1 bis 6 gut aufgepasst hat, gehe ich auch weiterhin davon aus, dass ich mir eine nochmalige kurze Zusammenfassung selbiger Seiten ersparen, und sogleich mit der neuen Möglichkeit durchstarten kann. Also, hier ist sie:

 

Conny und Doris lernen sich beim Jazzballett kennen. Colin hat das gedeichselt und Andreas konnte das nicht verhindern, weil ... na wie hätte er auch sollen, hatte er doch keine Ahnung. Colin und Andreas treffen sich beim Surfen, das heißt eigentlich muss ich es anders ausdrücken: die Surfbretter der beiden haben sich getroffen, und zwar so heftig, dass beide, nein nicht die Surfbretter, dass Andreas und Colin im Krankenhaus landen. Der behandelnde Chirurg, er würde übrigens Peter heißen (oh, oh, da war doch was…), obwohl das nicht von Bedeutung ist, das habe ich ja schon erklärt, bzw. so bestimmt. Das also ist die Situation: Colin und Andreas in einem Zweibettzimmer.

 

 

Man kommt sich näher, so weit das unter Männern üblich ist, kurz: man „freundet“ sich an. Jetzt wird es so richtig spannend. Wir erinnern uns: Doris ist Krankengymnastin, ja, sie ahnen was jetzt kommt?!. Conny will Colin besuchen. Sie ahnen was jetzt kommt?! Im Krankenzimmer tut sich was. 4 Personen sind drin. Andreas und Colin mit schmerzverzehrten Gesichtern in ihren Betten, Doris, die überlegt mit wem sie arbeitstechnisch beginnen soll und Doris. Conny hat ja bekanntlich ja von nichts eine Ahnung, Conny kennt nur Colin und Doris, letztere aus dem Jazztanzkurs. Dann geht die Tür auf und der Chefarzt, dieser Peter betritt das Krankenzimmer.

 

Zwei feste Pärchen freunden sich miteinander und untereinander so richtig an. Jeder mag jeden. Also Doris mag Conny und Andreas, Mist, den mochte sie ja früher auch schon egal: sie mag auch Colin. Colin die Mädels sowieso und ... So ein Mist aber auch ... Andreas mag er in der Zwischenzeit auch. Freundschaftlich. Fängt Andreas doch an, auch Conny sehr, ich betone, sehr zu mögen. Und Conny? Da liegt das Problem. Conny mag Colin, Doris und Andreas; letzteren aber nur so als einen guten Freund, besser noch, wie einen Bruder. Schöne Theorie. Aber auch eine Lösung der mathematischen Gleichung mit vier Bekannten und was geschah wirklich?

 

Eigentlich ganz einfach und unkompliziert: Doris wusste auf einmal, dass es für sie nur einen Mann auf der Welt gab und der hieß Andreas. Conny verliebte sich in den Chirurgen namens Peter. Wir erinnern uns: Peter war der Mann, der in unserer Gleichung keine Rolle spielte, obwohl er früher mal mit Doris zusammen war.

 

Und Colin? Colin ist im Irrenhaus gelandet und schreibt heute komische Geschichten; übrigens recht erfolgreich. Glauben sie nicht? Sie haben gerade eine gekauft und gelesen. Danke schön.

 

Colin Vaupel