Der Fluss

 

 

 

Kurzgeschichte

von

Colin Vaupel

   

traurig, deprimiert schleiche ich allein,  durch die Nacht. Ich war einmal mehr im Kassler Stadttheater in dem ich als Komparse tätig bin. Und heute war der Tag, der, auf den ich mich schon so lange gefreut hatte, Premiere. Ja ...

heute ging sie zum ersten mal mit mir über die Bühne. Sie als Bürgerin, ich als Bürger; beide auf dem Weg zur Kirche. Ich habe mich immer besonders auf die Proben der Andorra-Aufführung, gefreut; jedes Mal aber irgendwie umsonst. Nie habe ich mich getraut, ihr von meinen Gefühlen zu erzählen, nie konnte ich ihr sagen: "Ich liebe Dich." Ja und dann kam der Abend der Premiere: "Heute schaffe ich es, heute sage ich ihr, dass ich sie liebe.

Es ist schon sehr spät geworden. Mein unkontrollierter Weg hat mich an das Ufer des Flusses geführt. Und da stehe ich nun. Stehe und überlege was tun soll. Ich habe es wieder nicht geschafft, habe wieder nur vor ihr gestanden und sie hilflos angeschaut, schlimmer noch, sie blöde angestarrt.

So stehe ich also da am Ufer des großen Stromes, höre das monotone Rauschen des dahin ziehenden Wassers. Im alten Schloss gegenüber brennen noch in allen Fenstern die Lichter, und die Fassade des wunderschönen Gebäudes aus einer anderen Zeit spiegelt sich im Wasser des Flusslaufes wieder.

Doch plötzlich ...  auf einmal schwimmt eine Entenfamilie an mir vorüber, gerade so als wollten mir die Enteneltern ganz stolz ihre Kleinen präsentieren. Der Wasserspiegel zerbricht und das Schloss fällt in sich zusammen ... wie mein Leben. Kurz darauf aber schon wieder eine Änderung. Die Entenfamilie ist längst hinter der nächsten Flussbiegung verschwunden, als sich der Wasserspiegel beruhigt hat und ich das Schloss wieder in seiner alten Pracht vor mir sehen kann.

Da schleicht sich plötzlich ein Gedanke in meinen Kopf ein. Wenn das war wäre. Hm. Aber darf ich eine solche Parallele zu meinem Leben überhaupt ziehen?

Aufgeregt suche ich nach einigen Steinen und werfe sie ins Wasser. Ja, tatsächlich, wieder zerbricht der Wasserspiegel, wieder fällt das Schloss in sich zusammen, wird zur Ruine. Doch kurz bevor es ganz zerstört ist, hat sich der Wasserspiegel wieder beruhigt, steht es wieder in voller Pracht da. Immer und immer wieder wiederhole ich den Versuch ...

nun, ich habe dann irgendwie doch die Parallele zu meinem Leben gezogen:

Manchmal hat man das Gefühl, es kann so einfach nicht mehr weitergehen, alles bricht unweigerlich zusammen, auseinander. Aber ist das nicht immer wieder so in einem langen Leben?. Genau so wie bei meinem Erlebnis mit dem Spiegelbild des Flusses?

Doch genau da, ich habe es doch gesehen, genau da glätten sich die Wogen wieder und alles geht für kürzere oder längere Zeit seinen guten alten Weg, findet alles einen neuen Anfang.

Mit diesen Gedanken im Kopf bin ich dann doch wieder nach Hause gegangen, bin nicht vor meinen Problemen und Sorgen davongelaufen.

Nachwort:

Heute, gut vierzig Jahre später, ich bin nun schon seit über 7 Jahren Christ, habe mein Leben JESUS übergeben, heute weiß ich, dass dieses Bild des Spiegelbilds ein Geschenk von IHM war. DANKE