Die Wohnwagengeschichte von Dangst.
  Von Colin Vaupel

 

 

Mir 28 Jahren komme ich mir heute zum ersten mal in meinem Leben so vor, als wäre ich gerade 5 Jahre alt.

Jedenfalls habe ich mich gefreut, so wie man es von einem kleinen Jungen annimmt, der endlich sein Traumspielzeug geschenkt bekommen hat.

Kneefchen, ihre Tochter Sabine, Hund Wuschel, das Meerschweinchen Schnuffel und meine Wenigkeit sind am gestrigen Nachmittag „ausgewandert“.

Vater Haagestaedt fuhr uns in seinem Wagen zu einem idyllisch gelegenen Campingplatz in Dangast. Dangast liegt im wahrsten Sinne des Wortes am Busen der Natur. Es liegt am Jadebusen, also an der Nordsee.

Habe ich gesagt: „Vater Haagestaedt fuhr UNS“?

Komisch - komisch und schön zugleich: wie schnell man doch irgend wo hin gehören kann. Danke!

Den Rest des angebrochenen Tages verbrachten wir gemeinsam damit uns häuslich einzurichten. Die Damen Kneefchen (damals mit Frau) und Sabine (damals 13) innerhalb des Wohnwagens und ich bekam außerhalb so einiges zu tun.

Auch Hund Wuschel hatte so seine bestimmten Aufgaben zu erledigen: selbstverständlich mußte er zu aller erst sämtliche Pfosten, und das waren nicht wenige, an denen seine Hunde- bzw. Bellkollegen Grüße, natürlich speziell und nur für ihn hinterlassen hatten, beschnuppern und das natürlich nicht ohne eine Rückantwort zu hinterlassen.

Auch waren da selbstverständlich noch so einige Knochen vom letzten Sommer wieder auszubuddeln. So sah er dann nachher auch aus. Ja, so ein Hundemann hat‘s schwer.

Dann kam der Abend:

 

Überall gingen die bunten Laternen in und vor den Wohnwagen an und ein ganz eigenartiges Gefühl überkam mich. Ein Gefühl, von dem ich zwar wußte, daß es dies gab, schon immer gegeben hatte; ein Gefühl aber zu dem ich, altmodisch, wie ich nun merkwürdigerweise bin oder sein kann, zu dem ich schon seit je her eine positive Einstellung gehabt habe. Ein Gefühl letztlich , von dem ich annahm, daß es so etwas in der heutigen Zeit gar nicht mehr gab: Ein Gefühl, das da Romantik heißt.

Dann kam die Nacht.

Meine erste Nacht in einem Wohnwagen. Schlafen gehen. Der Tisch wurde abgeräumt, abmontiert und siehe da, wie praktisch, auf einmal war er der wichtigste Bestandteil des Bettes. Kneefchen und ich bezogen dann, Sabine hatte sich schon radiohörenderweise in ihr eigenes kuscheliges Abteil zurückgezogen, Steppdecken und Kissen und stellten so unser Schlafgemach fertig.

Nun kam es nur noch darauf an, meine 190 cm gut unterzubringen; aber wer hätte es für möglich gehalten: es ging prima. Scheint doch zu stimmen der alte Satz: „Platz ist in der kleinsten Hütte“.

 

Kneefchen war glücklich, wieder eingezogen zu sein, Sabine lag zufrieden in ihrer Koje, Wuschel hatte sich unter dem Bett auf seiner Hundematratze zusammengerollt, Schnuffel unser Seapick, zu deutsch Mee(h)rschweinchen lag zwischen seinen heiß geliebten Salatblättern.

Und ich - hm - ich kicherte zufrieden vor mich hin. Ich konnte es einfach nicht fassen: mein großer Wunsch, ein Kindheitswunsch, war in Erfüllung gegangen.

Mein großes Abenteuer hatte begonnen. Ich lag in einem Campingwagen. Der Regen prasselte auf das Dach und durchs Fenster konnte ich beobachten, wie sich die Flut in die Ebbe verwandelte und somit wieder von dannen zog; sie hatte wohl gesehen, daß es uns allen gut ging und so zog sie sich dann halt zufrieden wieder zurück.

All das, von dem ich früher nur träumen durfte, war Wirklichkeit geworden.

Durch meinen ehemaligen Beruf hatte ich wahrhaftig die teuersten Hotels kennengelernt und in ihnen gewohnt, ja gelebt; aber seit jener Nacht in Dangast wußte ich: es gibt nichts Schöneres als mit Menschen und mit Tieren, die einem ans Herz gewachsen sind, Ferien in einem Wohnwagen zu verbringen.

Hat Noah deshalb die Tiere mit auf seine Arche genommen?

 

Ja, so sind wir dann eingeschlafen. Kneefchen und ich haben keine

„Liebe“ mehr gemacht, waren aber sehr glücklich. Ich wußte, sie ist zufrieden in meinem Arm eingeschlafen - sie mußte meine Freude bemerkt haben.

Und ich?

Ich habe wohl noch eine Weile vor mich hingekichert vor lauter Begeisterung; bis auch ich dann irgendwann eingeschlummert bin. Glücklich darüber, den für mich liebsten Menschen an meiner Seite zu haben, zu wissen, daß er sich an meiner Seite wohl, geborgen fühlt. Glücklich mit Kneefchen, Sabine, Wuschel und Schnuffel hier in Dangast so viel Schönes erleben, fühlen zu dürfen.

Der erste Morgen:

Wo bin ich?

Verschlafen betrachte ich meine Umgebung. Tatsächlich. Ein Blick durch das Seitenfenster läßt mich den Strand erblicken. Es ist alles war. Kein Traum. Kneefchen schlummert noch friedlich in meinem Arm, genauso, wie sie gestern eingeschlafen ist. -

Nur einer ist nicht mehr an seinem Platz: Wuschel - unser lieber kleiner Hundemann hat sich halbwegs auf mir breit gemacht. Das ist schon ein gutes Gefühl, zu wissen, daß er mich in sein kleines Hundeherz geschlossen hat. Er hat mich lieb, so wie ein Vierbeiner einen Menschen lieb haben kann.

Na und ich? dumme Frage: ich hab‘ ihn erst recht lieb.

Zum ersten mal in meinem Leben tue ich etwas richtig ungesundes: ich bin derart aufgeregt, daß ich mir erst mal eine meiner schwarzen Zigaretten anzünde und sie in tiefen Zügen genieße.

Automatisch kommt eine Erinnerung in mir auf: unwillkürlich muß ich an meine erste Klassenfahrt denken. Das Gefühl des ersten Erwachens in der Jugendherberge, gemeinsam mit den Kameraden zu erwachen. Das war damals wahnsinnig schön. Und heute? Nun, ich denke an damals, also muß es heute genauso schön sein. Und das ist es auch.

 

Danke.